Definitionen von Medienkompetenz

Hier stellen wir Ihnen fünft klassische Definitionen von Medienkompetenz vor, nach

Am Ende der Definitionen finden Sie noch Handouts sowie die Quellenangaben zu den hier aufgeführten Texten.

Vielen Dank an das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, das diese Inhalte auf seiner Webseite zusammengestellt und als CC-Lizenz lizenziert hat.

Dieter Baacke: Medienkompetenz als zentrale Aufgabe

Medienbezogene Handlungskompetenz

Dieter Baacke (1934–1999) war Erziehungswissenschaftler und Hochschullehrer an der Universität Bielefeld. Baacke geht davon aus, dass der Mensch, um sich in den komplexen Medienwelten zurechtzufinden, zusätzliche Kompetenzen erlernen muss. Für ihn ist deshalb Medienkompetenz eine neue und zentrale Lernaufgabe. Nach Baacke ist Medienkompetenz die Voraussetzung für das angemessene Verständnis medialer Kommunikate (hierzu gehören Bildsprache, Montageprinzip beim Film und andere medienspezifische Symboliken) und darüber hinaus für selbstbestimmtes Handeln mit diesen Kommunikaten. Er spricht dabei von „medienbezogener Handlungskompetenz“. Um nicht im individuellen Bereich stehen zu bleiben, fordert Baacke auch einen „Diskurs der Informationsgesellschaft“, der „alle wirtschaftlichen, technischen, sozialen, kulturellen und ästhetischen Probleme“ einbezieht. Hier würde auch eine Einflussnahme auf den Medienmarkt und die Medienpolitik ihren Platz haben:

„Medienkompetenz soll aufs Ganze gesehen, den Nutzer befähigen, die neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung souverän handhaben zu können. Auch der humane Fortschritt verläuft heute [...] über elektronische Technologien. Um an ihm teilhaben zu können, benötigen wir alle demnächst nicht nur Anschlüsse, um ans Netz gehen zu können. Wir müssen uns in der computerisierten Medienwelt auch zurechtfinden. Medienkompetenz will genau dies ermöglichen, und insofern umschreibt der Begriff ein durchaus übersichtlich zu machendes Arbeitsfeld, an dessen Bearbeitung Medienpädagogik entscheidend Anteil haben wird.“

Für Baacke ist aber gleichzeitig klar, dass Medienkompetenz nur eine unter mehreren wichtigen Kompetenzen des Menschen ist:

„Indem wir ‚Medien‘ zwar als in der modernen Gesellschaft wichtiges Kommunikationsmedium erfahren, dürfen wir doch nicht davon absehen, dass kommunikative Akte auch in Face-to-face-Situationen, live und in direkter Begegnung, über Sprache und Sprechen, Sich-anschauen, Sich-Berühren etc. stattfinden, kurz: Medienkompetenz ist eine Besonderung technisch-elektronisch organisierter Kommunikationsverhältnisse, denen aber andere historisch vorausgehen oder diese eng begleiten [...]. Medienkompetenz ist eine Besonderung von ‚kommunikativer Kompetenz‘ (hier sind alle Sinnesakte der Wahrnehmung gemeint) sowie von ‚Handlungskompetenz‘ (hier sind alle Formen der Weltbemächtigung und Weltveränderung gemeint, die zwar durch kommunikative Akte begleitet werden, aber über diese insofern hinausgehen, als hier Objekte, Gegenstände und Sachverhalte ‚verrückt‘ werden). ‚Medienkompetenz‘, ‚kommunikative Kompetenz‘ und ‚Handlungskompetenz‘ sind Bausteine, die zusammenzufügen und zu verfugen sind. Allen drei Modalitäten ist in Hinsicht auf ‚Kompetenz‘ eines gemeinsam: dass der Mensch ein kompetentes Lebewesen sei [...]. Somit ist die Aufgabe der Medienpädagogik, die sich Medienkompetenz nennt, Lernen und Erfahrung zu ermöglichen in bezug auf Wahrnehmungsweisen der Medien, die keineswegs schon ins Alltagsrepertoire gehören.“

Medienpädagogik setzt hier an und überführt die gegebene Kompetenz in Performanz. [1]

Wikipedia: Dieter Baacke

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Dieter Baacke Preis

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Stefan Aufenanger: Dimensionen der Medienkompetenz

Stefan Aufenanger, Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität Mainz, beschreibt in Ergänzung zu Dieter Baacke mögliche Dimensionen von Medienkompetenz:

Kognitive Dimension

„Sie [die kognitive Dimension] bezieht sich u.a. auf Wissen, Verstehen und Analysieren im Zusammenhang mit Medien. Diese Dimension soll deutlich machen, dass Medienkompetenz als Grundlage Kenntnisse über Medien und Mediensysteme umfasst, dass man die in Medien verwendeten Symbole und Codierungen verstehen und entschlüsseln sollte und dass man auch analytisch Medien und ihre Inhalte betrachtet.

Moralische Dimension

Medien müssen auch unter ethischen Aspekten betrachtet und beurteilt werden. Dies setzt zwar die kognitive Dimension voraus, ergänzt diese aber um eine auf Menschenrechte oder allgemein geteilte Konventionen beruhende Perspektive. Sie sollte sich nicht nur auf Medieninhalte beziehen, sondern u.a. auch auf die Aspekte der Produktion von Medien (z.B. Umweltverträglichkeit), ihrer sozialen Verträglichkeit sowie auf die vermeintlichen Auswirkungen auf Kommunikation, Interaktion und Persönlichkeit.

Soziale Dimension

Die Umsetzung der kognitiven und moralischen Dimension erfolgt im Raum des sozialen und politischen Handelns. Menschen sollten befähigt werden, ihre Rechte um Medien politisch zu vertreten und soziale Auswirkungen von Medien angemessen thematisieren zu können.

Affektive Dimension

Neben all den genannten Dimensionen, die meist eine kritische Perspektive eröffnen, sollte aber nicht vergessen werden, dass Medien auch die Funktion des Unterhaltens und Genießens vermitteln sollen. Damit angemessen umgehen zu können, dürfte ein wichtiger Aspekt der Mediennutzung sein.

Ästhetische Dimension

Diese Dimension ergänzt die anderen in jener Hinsicht, dass sie Medien als Vermittler von Ausdrucks- und Informationsmöglichkeiten sieht und dabei den kommunikationsästhetischen Aspekt betont. Medieninhalte wollen gestaltet werden und dazu benötigt man spezifische Fähigkeiten.

Handlungsdimension

Mit Medien gestalten, sich ausdrücken, informieren oder auch nur experimentieren bestimmt die Handlungsdimension. Sie soll die Fähigkeiten bezeichnen, Medien nicht nur zu konsumieren, sondern selbst aktiv zu gestalten als auch sie überhaupt handhaben zu können.

Die aufgeführten Dimensionen sollen dazu dienen, systematisch den Begriff der Medienkompetenz bestimmen zu können. Dabei sollte aber bedacht werden, dass Medienkompetenz als ein medienpädagogischer Begriff auch unter einer pädagogischen Perspektive betrachtet werden muss. Eine Orientierung dafür, was dies heißen mag, könnte der Bildungsbegriff liefern, der im Sinne von Klafki als die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur Mitbestimmung und zur Solidarität definiert wird. Medienkompetenz muss also zu einem selbstbestimmten Umgang mit Medien als auch zu medienpolitischen Aktivitäten im Sinne von Partizipation befähigen, ohne dass dabei die Perspektive der anderen (Solidarität), die noch nicht so weit sind, vergessen wird.“ [2]

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Dieter Spanhel: Integrative Medienerziehung

Die Aufgabe der Schule

Dieter Spanhel, bis 2005 Inhaber des Lehrstuhls Pädagogik II an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, hat den Begriff der „Integrativen Medienerziehung“ geprägt. Er zählt sie zu den Zukunftsaufgaben der Schule. Im Rahmen eines Modellversuchs wurde sie ab 1995 für drei Jahre an der Ernst-Penzoldt-Hauptschule in Erlangen erprobt. Dieter Spanhel schrieb damals:

„Die Schule verliert ihr Informationsmonopol: Über die Medien ist den Schülern die ‚ganze Welt‘ verfügbar. Medien eröffnen den Heranwachsenden neue Lernformen und Lernwege zu interessanten Fragen und Themen und sonst nicht zugänglichen Bereichen der Wirklichkeit. Schule steht vor der außerordentlich schwierigen Aufgabe, die breiten Interessen der Schüler, ihr bruchstückhaftes und zusammenhangloses Detailwissen, die Fülle unverdauter Eindrücke und Vorstellungen auf die strenge Systematik der einzelnen Unterrichtsfächer einzugrenzen, auf die innere Ordnung eines Lehrganges auszurichten und ihr Lernen den Anforderungen der fachlichen Inhalte unterzuordnen.“ [3]

Medienerziehung als Wert- und Sozialerziehung

Als weitere Aufgaben der Schule in einem mediengeprägten Alltag nannte er die gründliche und kritische Auseinandersetzung mit einem (medienvermittelten) Sachverhalt. Dabei komme es darauf an, an die Erfahrungen der Schüler anzuknüpfen und ihre medialen Kompetenzen für die Lern- und Bildungsprozesse nutzbar zu machen. Gleichzeitig warnte er:
„Integrative Medienerziehung sollte gerade nicht eine zusätzliche Aufgabe bezeichnen, die zu den anderen, in den Präambeln der Lehrpläne verankerten Erziehungsaufgaben noch hinzukommt. Sie sollte auch nicht als ein Unterrichtsprinzip missverstanden werden. Der Gedanke des Integrativen bedeutet vielmehr, dass durch angemessenen Medieneinsatz, durch Medienhandeln, durch Auseinandersetzen mit den Medien, ihren Inhalten, Botschaften und formalen Angebotsweisen neuartige Handlungsrahmen und Kontexte für Unterricht und Schulleben erzeugt werden, in denen gleichzeitig mit der Medienerziehung die Bewältigung auch noch anderer Lern- und Erziehungsaufgaben möglich wird. In diesem Sinne kann und muss Medienerziehung immer zugleich als Werterziehung und Sozialerziehung gesehen und betrieben werden.“ [4]

Modellversuch

Bei dem Modellversuch ließ man sich von folgenden Grundgedanken leiten:

  • „Einbeziehung der außerschulischen Medienerfahrungen und -kompetenzen der Schüler in den Unterricht Zusammenarbeit mit den Eltern;
  • Berücksichtigung aller Medien, Printmedien, audiovisuelle Medien, Computer, Multimedia;
  • Verbindung von mediendidaktischen und medienerzieherischen Zielen;
  • Verbindung von fachlichen Unterrichtszielen mit medienerzieherischen Zielen durch Thematisierung und Reflexion des medialen Aspekts;
  • Nutzung vielfältiger Medien im Schulleben, zur Ausgestaltung und Bereicherung der Schulkultur.“ [5]

Medienkompetenz als oberstes Ziel

Medienkompetenz gilt auch in der schulischen Medienerziehung als oberstes Ziel. Dieter Spanhel hebt in diesem Zusammenhang vor allem auf die kommunikativen Fähigkeiten ab:
„Da alle Medien Kommunikationsmedien sind, müssen zur Vermittlung von Medienkompetenz zunächst grundlegende kommunikative Fähigkeiten aufgebaut und weiterentwickelt werden. Jeder Mensch muß sich im Laufe seines Lebens solche kommunikativen Fähigkeiten aneignen, wenn er als eigenverantwortlich handelnder Bürger ein subjektiv befriedigendes und sozial verträgliches Leben in der modernen Gesellschaft führen will. Es handelt sich dabei um folgende Kompetenzen:

  • Die Fähigkeit zur Verständigung über Inhalte: Der Mensch muß Informationen über die Außenwelt (über Wahrnehmungen, Phantasien oder Abstraktionen) mitteilen und verstehen können.
  • Die Fähigkeit zur Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen: Der Mensch muss persönliche und öffentliche Beziehungsbotschaften herstellen und verstehen können.
  • Die Fähigkeit zum Aufbau und zur Erhaltung der Identität: Der Mensch muss in den sozialen Beziehungen sein persönliches Erleben artikulieren, sich selbst darstellen und dabei sein Selbstbild gewinnen und stabilisieren können.

Für all diese Dimensionen menschlicher Kommunikation eröffnen die modernen Medien neue Möglichkeiten und Formen. Daher ist es unabdingbar, daß die Menschen spezifische Medienkompetenzen erwerben, damit sie die ganze Bandbreite der Medien zur Ausgestaltung und Bereicherung der Kommunikationsprozesse adäquat einsetzen können. Diese Kompetenzen sind Teil der Sozialisation jedes Individuums, die sich über den ganzen Lebenslauf hin erstreckt. Die Aneignung dieser Fähigkeiten ist nie abgeschlossen; sie müssen immer wieder weiterentwickelt, auf neue Anforderungen hin spezifiziert, geübt und neu gefestigt werden.“ [6]

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Bernd Schorb: Aktive Medienarbeit

Aktive Medienarbeit

Aktive Medienarbeit ist ein Fachbegriff, der eine gebräuchliche Methode der Medienpädagogik bezeichnet. Bereits in den 1960er-Jahren forderte beispielsweise Hans Chresta „aktive Filmarbeit“ [7] , um die filmischen Gestaltungs- und Manipulationsmöglichkeiten kennenzulernen. Heute beschäftigt sich die aktive Medienarbeit mit allen Medien, also Radio und Musik, Video, Film, Kunst, Zeitung sowie Internet, Computer und Handy. In Grundbegriffe Medienpädagogik  von Bernd Schorb und Jürgen Hüther wird der Begriff der aktiven Medienarbeit folgendermaßen definiert:

„Sie [die aktive Medienarbeit] bedeutet die Be- und Erarbeitung von Gegenstandsbereichen sozialer Realität mit Hilfe von Medien wie Druck, Foto, Ton, Video, Computer, Multimedia und Internet. Die Medien werden von ihren Nutzern ‚in Dienst genommen‘, d.h. selbsttätig gehandhabt und als Mittel der Kommunikation gebraucht.“ [8]

Aktive Medienarbeit legt nahe, dass es dabei um ein „zielgerichtetes aktives Handeln“ [9] zum Beispiel von Jugendlichen geht, das auf die Erstellung eines medialen Produkts hinausläuft. Dieses Medienhandeln wird im Unterschied zum Medienkonsum als aktiv beschrieben.

Aktive Medienarbeit wird zwar oft mit offener Jugendarbeit assoziiert, kann jedoch ebenso in Schulen und in der Vorschulerziehung angesiedelt werden, die institutionelle Anbindung ist nicht relevant. Wesentlich für die aktive Medienarbeit sind vielmehr methodische Vorgehensweisen wie Gruppenarbeit, handelndes Lernen etc.

Handelndes Lernen

Der Begriff des handelnden Lernens ist für die aktive Medienarbeit zentral, in dem Sinne, dass Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten arrangiert werden. Handelndes Lernen, als ein Prinzip der Pädagogik, entstand als reformpädagogische Idee und wurde erstmals von John Dewey (1859–1952) als „learning by doing“ begrifflich gefasst. Grundgedanke hierbei ist der Erwerb von theoretischem und praktischem Wissen im Prozess der tätigen Aneignung eines Gegenstandsbereichs. Die Vertreter dieses Lernarrangements erhoffen sich zahlreiche positive Effekte. In Anlehnung an Bernd Schorb hier einige Beispiele:

  • Eigeninitiative und Selbstbewusstsein anhand ganzheitlicher Aufgaben in Eigenregie fördern, zur Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen ermuntern (Dewey).
  • Aufhebung der Trennung zwischen „Hand- und Kopfarbeit“ zugunsten eines umfassenderen Verständnisses von gesellschaftlicher Wirklichkeit und Veränderbarkeit derselben (Anton Semjonowitsch Makarenko, 1888–1939).
  • Über die Beschäftigung mit einem konkreten Problem und dem handelnden Umgang mit demselben zu einer „Bewusstseinsbildung“ zu gelangen, wodurch ein Potenzial zur Änderung sozialer Realität bewusst und die Änderung bewältigbar wird (Paulo Freire, 1921–1997).

Schorb hebt als Charakteristika handelnden Lernens eine Herausbildung der Persönlichkeitseigenschaften Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung, Selbständigkeit hervor:

„Handelndes Lernen ist in dem Sinne dialektisches Lernen, als es den Prozeß der Aneignung eines Gegenstandsbereichs immer schon verknüpft mit der Veränderung desselben, gerichtet auf eine Auseinandersetzung mit und Weiterentwicklung der umgebenden Realität.“

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, gerade indem sie Medien gestalten, im engeren Sinne etwas über diese. Beispielsweise wird erfahrbar, dass unterschiedliche Medienträger mit unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten ausgestattet sind. Sie müssen sich in der Gruppe mit Produktionsabläufen beschäftigen, Ausdauer zeigen, wenn die Technik nicht funktioniert und müssen das Zusammenspiel verschiedener „Zulieferer“ untereinander regeln.

Medienkompetenz durch Eigenproduktion

Ziel aktiver Medienarbeit ist also auch, durch die Erfahrung eigener Produktion urteilsfähiger und kritischer für Fremdproduktionen zu werden. In diesem Sinne sollen manipulative Tendenzen der Massenmedien durchschaut werden und insgesamt ein reflektierter Umgang mit denselben erreicht werden. Fred Schell sieht die aktive Medienarbeit der emanzipatorischen Pädagogik verpflichtet:

„Im Vordergrund dieser pädagogischen Position steht das Individuum als gesellschaftliches Subjekt, das nicht durch vorgegebene Verhältnisse determiniert ist, sondern grundsätzlich eigene gesellschaftliche Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit besitzt. Primäre Aufgabe pädagogischen Handelns ist es demnach, Reflexion und Veränderung gesellschaftlicher Zustände zu ermöglichen.“ [10]

Trotz des einheitlich gebräuchlichen Fachausdrucks, sind in der Literatur einige begriffliche Abwandlungen vorzufinden: Mit dem Begriff der kreativen Medienarbeit (Baacke 1992), der im Sinne der aktiven Medienarbeit gebraucht wird, soll besonders akzentuiert werden, dass Jugendliche nicht nur „von Objekten zu Subjekten der Berichterstattung“ werden, sondern auch als Subjekte die „ästhetische Weltgestaltung“ beeinflussen. [11]

Wikipedia: Bernd Schorb

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Gerhard Tulodziecki: Aufgabenfelder der schulischen Medienpädagogik

Als einer der ersten hat Gerhard Tulodziecki konkrete Aufgabenfelder der schulischen Medienpädagogik benannt und einen Koordinierungsrahmen für medienpädagogische Unterrichtseinheiten vorgestellt. Gerhard Tulodziecki ist emeritierter Professor für Allgemeine Didaktik und Medienpädagogik an der Universität Paderborn mit den Arbeitsschwerpunkten Unterrichtswissenschaft und Medienpädagogik.

Gerhard Tulodziecki geht von fünf Aufgabenfeldern der Medienpädagogik aus:

Auswählen und Nutzen von Medienangeboten

Folgende Ziele sind dabei wichtig:

  • Die Kinder und Jugendlichen sollen die Fähigkeit erwerben, eine sinnvolle Auswahl aus dem Programmangebot für unterschiedliche Funktionen vorzunehmen, zum Beispiel für Unterhaltung und Information, für Lernen und Spiel, für Problemlösung und Entscheidungsfindung, für Kunstrezeption und Kommunikation.
  • Sie sollen Alternativen zum Medienkonsum erfahren und nutzen.
  • Sie sollen in die Lage versetzt werden, in konflikthaften Situationen begründete Entscheidungen zum Medienverhalten zu treffen.
  • Sie sollen die Fähigkeit und Bereitschaft erwerben, verschiedene Medienangebote sowie medienbezogene und alternative Aktivitäten nach verschiedenen Kriterien vergleichend zu bewerten.

Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen

Im vorhergehend beschriebenen Aufgabenbereich werden die Kinder und Jugendlichen als Nutzer vorhandener Medienangebote und dabei vorwiegend als Empfänger bzw. Rezipienten medialer Botschaften gesehen. Allerdings treten sie bereits bei der Nutzung von Kommunikationsdiensten, zum Beispiel bei der Nutzung von E-Mail, aus der bloßen Rezipientenrolle heraus und versenden eigene Botschaften. Im Aufgabenbereich des „Eigenen Gestaltens und Verbreitens von Medienbeiträgen“ steht die Produzentenrolle ganz im Vordergrund. Mithilfe entsprechender technischer Geräte, zum Beispiel Mikrofon und Tonkassettenrecorder, Kamera und Videorecorder, Textverarbeitungs- und anderen Computerprogrammen gestalten sie eigene mediale Produkte. Aus medienpädagogischer Sicht sind mit der Mediengestaltung in der Regel folgende Zielvorstellungen verknüpft:

  • Die Kinder und Jugendlichen sollen Medienbeiträge zur Dokumentation und Präsentation von Sachverhalten, zur Artikulation eigener Interessen und Bedürfnisse, zur künstlerischen Darstellung eigener Aussagen sowie als mediale Hilfsmittel für die Problemlösung oder Entscheidungsfindung selbst gestalten.
  • Sie sollen Verbreitungsmöglichkeiten für ihre medialen Produkte bedenken und gegebenenfalls Öffentlichkeit für Themen herstellen, die ihnen wichtig sind.
  • Die eigene Gestaltung von Medienbeiträgen soll dazu führen, dass die technischen Möglichkeiten und die Produktionsprozesse von Medien handelnd erfahren und durchschaubar werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Kinder und Jugendliche vor Manipulation geschützt werden und Medienangebote kritisch einordnen sowie bewerten können.
  • Durch die eigene Produktion von Medienbeiträgen und ihre Reflexion soll eine ästhetische Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen erreicht werden. Diese soll sich sowohl in einem angemessenen Anspruchsniveau gegenüber eigenen Produkten als auch in einem erhöhten Anspruchsniveau gegenüber Fremdproduktionen äußern.
  • Mediengestaltung findet in der Regel als Teamarbeit statt. Die Schülerinnen und Schüler können und sollen dabei Gruppenprozesse erfahren und sozial erwünschte Verhaltensdispositionen, zum Beispiel Kooperationsfähigkeit, erwerben beziehungsweise verstärken.

Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen

Kinder und Jugendliche werden ständig mit Informationen, Werbung und fiktiven Geschichten in verschiedenen Medien konfrontiert, zum Beispiel in Zeitschriften, in Hörbeiträgen, im Fernsehen und in Computerspielen. Die damit verbundenen Botschaften werden in unterschiedlichen Zeichensystemen bzw. verschiedenen Gestaltungsmerkmalen präsentiert. Aus medienpädagogischer Sicht ist es eine wichtige Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, die vielfältigen Medienangebote angemessen zu verstehen und bewerten zu können. Dies ist zunächst im Zusammenhang einer reflektierten Auswahl und Nutzung von Medien bedeutsam. Darüber hinaus ist das Verstehen und Bewerten von medialen Ausdrucksweisen ein wesentlicher Bestandteil einer angemessenen Verwendung der „Mediensprache“ bei der eigenen Gestaltung von Medien.

Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen

Zeichentrickfilme, Action- und Comedy-Filme sowie -Serien gehören zu den beliebtesten Fernsehangeboten der 3- bis 13-jährigen Kinder. Bei den 14- bis 19-Jährigen dominieren Action- und Comedy-Filme. Es liegt auf der Hand, dass die sich damit abzeichnende Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen Wirkungen im Bereich der Gefühle, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen haben kann. Das lässt es geraten erscheinen, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, medienbeeinflusste Emotionen, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen aufzuarbeiten. Dabei sollen folgende Zielvorstellungen angestrebt werden:

  • Die Kinder und Jugendlichen sollen die Fähigkeit erlangen, medienbedingte Gefühle auszudrücken und mit ihnen umzugehen.
  • Sie sollen in die Lage versetzt werden, medienvermittelte Vorstellungen anhand der Wirklichkeit zu überprüfen und den Unterschied zwischen Fiktion und Realität zu erkennen.
  • Sie sollen befähigt werden, Verhaltensorientierungen, die durch Medien nahegelegt werden, zu durchschauen und im Hinblick auf ihre Rechtfertigungen zu diskutieren.
  • Sie sollen Gestaltungsmerkmale von Medien bewusst wahrnehmen, insbesondere solche, durch die unter Umständen bestimmte Gefühle erzeugt, irreführende Vorstellungen vermittelt und problematische Verhaltensweisen nahegelegt werden.

Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung

Geht man von einem (einfachen) Kommunikationsmodell aus, so sind für die Kommunikation generell und damit auch für technisch unterstützte Kommunikationsvorgänge mindestens drei Komponenten bedeutsam: das mediale Produkt, der Empfänger oder Rezipient und der Sender oder Kommunikator. In den beiden vorhergehenden beschriebenen Aufgabenbereichen wurde der Blick vor allem auf das mediale Produkt und den Rezipienten gerichtet, im jetzt zu behandelnden Aufgabenbereich steht der Sender beziehungsweise Kommunikator im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei geht es vor allem um die gesellschaftlich zu deutenden Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung. Bedingungen solcher Art wirken in vielfältiger Weise auf die Mediengestaltung und Mediennutzung ein. Beispielsweise hängt die Entscheidung, welche Nachrichten in einem bestimmten Medium in welcher Weise präsentiert werden, mit verschiedenen Bedingungen zusammen, zum Beispiel

  • mit personalen Bedingungen, etwa mit der Qualifikation und Motivation der jeweiligen Journalisten und Redakteure,
  • mit technischen Bedingungen des präsentierenden Mediums, ob die Nachrichten beispielsweise nur auditiv, nur gedruckt, mit oder ohne Bild- oder Filmmaterial verbreitet werden sollen,
  • mit ökonomischen Bedingungen, etwa ob das Medienangebot durch Verkauf, durch Gebühren oder durch Werbung finanziert werden muss,
  • mit organisationsbezogenen beziehungsweise institutionellen Bedingungen, wer beispielsweise über die Auswahl und Gestaltung der Nachrichten innerhalb der jeweiligen Medieninstitution entscheidet,
  • mit rechtlichen Bedingungen, ob möglicherweise bei der Gestaltung der Nachrichten gesetzliche Bestimmungen zum Jugendschutz zu beachten sind beziehungsweise wie weit die Meinungs- und Informationsfreiheit geht.

Ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln im Medienzusammenhang setzt Kenntnisse und Verstehen, Analyse und Urteilsfähigkeit zu solchen Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung voraus. Dabei ist es denkbar, vielfältige Fragestellungen zu bearbeiten. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollen die Kinder und Jugendlichen im Hinblick auf Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung

  • rechtliche Gesichtspunkte kennen, beachten und in ihrer Bedeutung einschätzen,
  • ökonomische Aspekte wahrnehmen, durchschauen und bewerten,
  • organisationsbezogene beziehungsweise institutionelle Merkmale analysierend erfassen und kritisch bedenken
  • die eigene Situation im Mediensystem reflektieren, Möglichkeiten zur Einflussnahme erkennen und wahrnehmen sowie bei der Entwicklung von Medienkultur mitwirken.

 

Handouts

Aufenanger, Stefan: Medienpädagogik und Medienkompetenz. Eine Bestandsaufnahme.

1997 | Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft.“, Deutscher Bundestag (Hrsg.): Medienkompetenz im Informationszeitalter.

Neben einer Situationsbeschreibung der Medienpädagogik als Disziplin der Erziehungswissenschaft gibt der Text einen Überblick über die Entwicklungstendenzen der Medienpädagogik. Dem Begriff der Medienpädagogik nähert sich der Autor über die Bestimmung verschiedener Dimensionen.

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Spanhel, Dieter/Kleber, Hubert: Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Begründung und Merkmale.

1996 | Pädagogische Welt. Heft 8/1996.

Spanhel und Kleber fordern eine integrative Medienerziehung in der Schule. Die Medien betrachten sie nicht nur als Erweiterung der gängigen Lehr- und Lernmittel. Stattdessen werden deren vielfältige Nutzungsmöglichkeiten im Unterricht umrissen. Der Text gibt einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand, zieht Konsequenzen für die Unterrichtsplanung, gibt unterrichtspraktische Vorschläge und stellt ein Unterrichtsbeispiel aus der Hauptschule vor.

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Spanhel, Dieter: Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Ein Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. Auszüge.

1999 | Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Ein Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. | kopaed verlagsgmbh

Der Autor stellt die Grundprinzipien, Ziele und Aufgaben einer integrativen Medienerziehung dar. Bei diesem Ansatz sollen alte und neue Medien fächerübergreifend in die Medienerziehung einbezogen werden. Konkretisiert werden die Vorstellungen in einem Curriculum, das in einem Modellversuch für eine bayerische Hauptschule entwickelt wurde. Desweiteren gibt der Autor Anregungen für die medienpädagogische Profilbildung einer Schule und für deren Evaluation.

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CC BY-SA

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Quellen

[1] Alle Zitate stammen aus: Baacke, Dieter:

Medienpädagogik. Grundlagen der Medienkommunikation Band 1. Tübingen 1997. zurück nach oben

[2] Aufenanger, Stefan:

Medienpädagogik und Medienkompetenz. Eine Bestandsaufnahme. In: Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Medienkompetenz im Informationszeitalter. Bonn 1997, S. 19–21. zurück nach oben

[3] Spanhel, Dieter/Kleber, Hubert:

Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Begründung und Merkmale. Pädagogische Welt. Heft 8/1996, S. 359–364. zurück nach oben

[4] Spanhel, Dieter:

Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Ein Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. Auszüge. München 1999. zurück nach oben

[5] Spanhel, Dieter/Kleber, Hubert:

Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Begründung und Merkmale. Pädagogische Welt. Heft 8/1996, S. 359–364. zurück nach oben

[6] Spanhel, Dieter:

Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Ein Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. Auszüge. München 1999. zurück nach oben

[7] Chresta, Hans:

Filmerziehung in Schule und Jugendgruppe. Solothurn 1963. zurück nach oben

[8] Schell, Fred:

Aktive Medienarbeit. In: Hüther, Jürgen / Schorb, Bernd (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München 2005, S. 9. zurück nach oben

[9] Palme, Hans-Jürgen:

(1991) zurück nach oben

[10] Schell, Fred:

Aktive Medienarbeit. In: Hüther, Jürgen / Schorb, Bernd (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München 2005, S. 11. zurück nach oben

[11] Baacke, Dieter:

Jugendforschung und Medienpädagogik – Tendenzen, Diskussionsgesichtspunkte und Positionen. In: Hiegemann, Susanne / Swoboda, Wolfgang H. (Hrsg.): Handbuch der Medienpädagogik. Opladen 1994, S. 53. zurück nach oben

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